Management & Strategien | 14.05.2020

„Wirkliche Hilfe durch die Politik sieht anders aus“

Fotostrecke Christoph Unckell Christoph Unckell führt das Hotel Rebstock in Würzburg in zweiter Generation / Foto: Lightshades - Photodesign by Alfred Stolz

Christoph Unckell führt das Hotel Rebstock in Würzburg in zweiter Generation. Während andere Häuser wegen der Corona-Krise komplett schlossen, hielt er geöffnet. Im Interview berichtet er über diese Zeit, erklärt, wie er sich auf den Neustart vorbereitet und appelliert an die Politik. Von Maren Peters 

 

Herr Unckell, anders als manches andere Hotel haben Sie seit dem Lockdown durchgängig geöffnet, betreiben im Moment sozusagen ein Hotel „auf Sparflamme“. Was können Sie über diese Zeit berichten?

Anfangs haben wir auch überlegt, ganz zu schließen. Allerdings haben wir einen Dauergast, der im Augenblick auf Grund der Krise nicht nach Hause kommt und eine Reihe von Stammgästen, die geschäftlich immer unter der Woche bei uns übernachten. Hinzu kommt, dass wir telefonisch ohnehin erreichbar sind, um Absagen, aber auch Anfragen bearbeiten zu können.

Aus diesen Gründen haben wir entschieden, unsere Rezeption unter der Woche von acht bis 16 Uhr zu besetzen und die Gäste zu bitten, in dieser Zeit anzureisen. Ist das einmal nicht möglich, ruft mich der Gast über eine Rufumleitung mobil an und ich komme dann ins Hotel und checke ihn ein. Das funktioniert sehr gut und alle Gäste sind verständnisvoll. Mit ihrer Zimmerkarte kommen die sie nach dem Check-In zu jeder Zeit ins Hotel. Das Housekeeping kommt zweimal in der Woche und reinigt die Zimmer, lüftet die nicht belegten und kümmert sich darum, dass das Wasser nicht zu lang in den Leitungen steht, um Legionellen vorzubeugen.

Von acht bis zehn Uhr kommt einer unserer Auszubildenden, der den Gästen das Frühstück auf ihren Zimmern serviert. So machen wir trotz weniger Buchungen ein bisschen Umsatz und können einen Teil der Kosten decken, die wir auch bei einer kompletten Schließung hätten.

 

Welche Leistungen können Sie Gästen im Moment überhaupt bieten und wer bucht typischerweise zurzeit Zimmer?

Neben den schon erwähnten Gästen sind es Menschen, die geschäftlich unterwegs sind. Andere Gäste dürfen wir momentan auch nicht beherbergen. Deshalb lassen wir uns immer schriftlich von den Gästen bestätigen, dass sie auf Geschäftsreise sind. Bei uns übernachtet haben zum Beispiel ein Professor, der als Gutachter in einem Gerichtprozess fungiert, oder auch Techniker, die diverse Anlagen warten müssen. Wir profitieren davon, dass wir im Umkreis eines der wenigen offenen Hotels sind.

Allerdings hatte ich auch schon nachts um zwei Uhr einen Anruf über die Rufumleitung von einem Gast, der vor meinem Hotel stand. Er hatte um 21 Uhr kurzfristig über ein Portal gebucht und wollte einchecken. Das hat natürlich niemand mehr mitbekommen, weil das alles über unsere elektronische Schnittstelle passiert. Zehn Minuten später war ich im Hotel und habe den Gast eingecheckt. Er war sehr dankbar, ein Dach über dem Kopf zu haben, und ich froh um einen Gast mehr in diesen Zeiten.

 

Welche Maßnahmen haben Sie für Ihre Mitarbeiter ergriffen? Haben Sie auch Auszubildende, für die das Instrument der Kurzarbeit ja in der Regel nicht angewendet werden kann? Welche Vorkehrungen greifen hier?

Meine Mitarbeiter sind seit Mitte März in Kurzarbeit, die meisten zu 100 Prozent. Einige wenige wechseln sich tageweise mit laufenden Tätigkeiten wie dem Zimmerservice ab. Auszubildende dürfen erst nach sechs Wochen in Kurzarbeit gehen, daher haben wir versucht, sie zum Teil noch zu beschäftigen, zum Beispiel im Frühstücksdienst. Meine Teamleiter versorgen sie mit Fachliteratur oder auch fachbezogenen YouTube-Links, damit sie sich bestmöglich weiterbilden können.

Finanziell ist es für meine Mitarbeiter zum Teil sehr schwierig. Im März habe ich daher das Kurzarbeitergeld noch auf 100 Prozent aufgestockt. Im April habe ich eine Prämie gezahlt, das ist wesentlich einfacher als die komplizierten Berechnungen zur Aufstockung. Auf diese Weise kommen vor allem die niedrigeren Lohngruppen auf etwa 80 Prozent des Nettolohns. Trotzdem fehlt natürlich das Trinkgeld. Ob ich das für Mai noch einmal machen kann, muss ich sehen.

 

Inzwischen gibt es Pläne, touristische Übernachtungen wieder zu erlauben. Sie bereiten sich nun auf die Lockerungen und somit auf Gäste vor – wie?

Inzwischen gibt es ja zum Glück für jedes Bundesland einen Fahrplan für erste Lockerungen, auch wenn Bayern hier Schlusslicht ist. Die Außengastronomie dürfen wir am 18. Mai öffnen, das hat aber betriebswirtschaftlich für uns keinen Sinn. Die Innengastronomie öffnet dann ab dem 25. Mai und das Hotel für touristische Einzelreisende ab dem Pfingstwochenende. Am 25. Mai werden wir also unseren Salon und das KUNO 1408 wieder öffnen.

Anhand der BGN-Hygienevorgaben haben wir für den Rebstock ein Hygienekonzept erstellt, das wir nun konsequent umsetzen. Wir werden die Wiedereröffnung so vorbereiten, dass wir effizienter und wareneinsatzoptimiert arbeiten können. Dazu gehören etwas kleinere Speisenkarten mit Gerichten, von denen wir wissen, dass sie gut laufen. Diese müssen so funktionieren, dass vorher festgelegte, kleinere Teams sie im Wechsel kochen und servieren können. Im Falle einer Ansteckung müssen wir damit rechnen, dass ein Team möglicherweise in Quarantäne gehen muss. Solche festen Teams planen wir auch an der Rezeption und auf der Etage.

 

Neben Abstandsregeln und Maskenpflicht steht nach dem Restart die Hygiene ganz oben auf der Liste. Was wollen Sie hier zum gegenseitigen Schutz von Mitarbeitern und Gästen umsetzen? Gibt es schon Konzepte, etwa zur regelmäßigen Desinfektion von öffentlichen Bereichen und Zimmern?

Auf die detaillierten Vorschriften für unserer Branche warten wir noch. Trotzdem steht unser Konzept und wir sind gut auf unsere Wiedereröffnung vorbereitet. Kommen dann die Details, müssen wir lediglich feinjustieren.

Flächendesinfektion haben wir ja schon immer praktiziert, dies haben wir intensiviert und auf die öffentlichen Bereiche, speziell die hochfrequentierten Touchpoints wie Tresen, Aufzüge und Türklinken, ausgeweitet. Die Rezeption ist bereits mit Plexiglastrennscheiben ausgerüstet, überall haben wir Handdesinfektionsspender aufgestellt. Im Frühstücksbereich werden wir von einem Büffet auf ein vorbestelltes à la carte Frühstück umstellen, bei dem sich der Gast auf eine Uhrzeit festlegt. So können wir sehr gut auf die Gästewünsche reagieren, uns gut vorbereiten und zugleich die Auslastung im Frühstücksbereich verteilen. Mund-Nasen-Schutz sowie Klebebänder für Abstandsbodenmarkierungen haben wir bereits im Haus. Obwohl wir erstmal deutlich weniger Gäste erwarten, haben wir mehrere tausend Euro in dieses Konzept investiert, um überhaupt öffnen zu dürfen.

 

Wie steht es um die Hotelwäsche? Wird diese bei Ihnen inhouse gereinigt oder vertrauen Sie auf einen externen Partner?

Hier setzen wir auf einen externen Partner, der auch Krankenhauswäsche reinigt und mit Hygiene bestens vertraut ist.

 

Neben dem Hotelbetrieb befindet sich in Ihrem Haus auch das Gourmetrestaurant KUNO 1408. Ist ein Gourmetessen unter den derzeitigen Gegebenheiten überhaupt denkbar? Welche Präventionsmaßnahmen ziehen Sie hier in Betracht, ohne den Spaß am Genuss zu beeinträchtigen?

Gerade ein Gourmetrestaurant wie das KUNO 1408 eignet sich besonders gut für eine Wiedereröffnung. Hier sind die Abstände zwischen den Tischen und auch die Tische selbst, wie in der gehobenen Gastronomie üblich, großzügig bemessen. Wir belegen die Tische nur einmal am Abend, dadurch lässt sich Hygiene im KUNO 1408 besonders gut organisieren. Wir achten darauf, dass die Gäste nicht gleichzeitig, sondern gestaffelt kommen und besetzen maximal an acht Tische. Allerdings müssen unsere Servicemitarbeiter natürlich einen Mund-Nasen-Schutz tragen, daran werden wir uns alle erst noch gewöhnen müssen. Auch der Wein- und Wasserservice wird vermutlich vom Gast übernommen werden müssen. Das sind eben hygienische Einschränkungen, die allerdings zur Sicherheit von Gästen und Mitarbeitern beitragen.

 

Was sagen Sie zur temporären Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen ab 1. Juli 2020? Ist dies ein hilfreiches Instrument für Sie?

Jede finanzielle Unterstützung ist willkommen und hilfreich. Allerdings ist dieses Entgegenkommen vorerst nur für ein Jahr geplant. Ein Jahr, in dem wir ohnehin mit viel weniger Speisenumsatz rechnen. Zudem fällt die Tagungsgastronomie noch gänzlich aus. Zieht man dann noch die Kosten für die zweimalige Umstellung der Mehrwertsteuersätze ab, bleibt unter dem Strich sehr wenig Unterstützung übrig. Experten haben ausgerechnet, dass die Mehrwertsteuersenkung mindestens zehn Jahre bleiben müsste, um den Umsatzausfall durch die Coronakrise annähernd zu decken. Ich denke in diesem Zusammenhang auch an die ganzen Bars und Clubs, die noch lange nicht öffnen dürfen und von dieser Entlastung nichts haben. Wenn die Politik unserer Branche ernsthaft helfen will, brauchen wir meiner Meinung nach dringend einen Nothilfefond für Hotellerie und Gastronomie.

 

Wie bewerten Sie sonstige staatliche Hilfen, die aktuell zur Verfügung gestellt werden? Machen Sie, neben den Möglichkeiten der Kurzarbeit, Gebrauch von Unterstützungsangeboten?

Wir nutzen augenblicklich jedes Hilfsangebot, das zur Verfügung steht. Kurzarbeit haben wir seit Mitte März, allerdings kam weder für März noch für April bisher die erwartete Erstattung. Die Soforthilfe, die wir beantragt haben, kam vor zehn Tagen. Meine Betriebsunterbrechungsversicherung hat mir 15 Prozent Erstattung angeboten, in meinen Augen ist das eine Frechheit. Hier werde ich vermutlich mit vielen Kollegen aus Hotellerie und Gastronomie klagen müssen, um an das zu kommen, was mir laut Police zusteht. Das wird allerdings mehrere Jahre dauern.

Am Ende ist alles bei weitem nicht ausreichend und ich werde mindestens 750.000 Euro über KfW-Mittel zusätzlich aufnehmen müssen, um dieses Jahr zu überstehen. Ich habe dann zehn Jahre Zeit, den Betrag zusätzlich zu meinen laufenden Krediten für meinen neuen Anbau, zurück zu zahlen. Wirkliche Hilfe durch die Politik sieht in meinen Augen anders aus.

 

Welche Vorteile hat es für Sie speziell während des Lockdowns, ein Best-Western-Hotel zu führen? Erhält man Expertenrat, tauscht man sich untereinander intensiver aus, ist man in der Gemeinschaft stärker?

Besonders in diesen schweren Zeiten bin ich sehr froh um die Gemeinschaft von Hoteliers und um unsere Servicezentrale in Eschborn. Einen Monat haben wir überhaupt keinen Beitrag zahlen müssen und ein weiterer Mitgliedsbeitrag wurde gestundet. Dadurch entsteht natürlich auch unserem Team in Eschborn ein großer Schaden, aber viele Schultern können eben auch viel tragen, das gibt allen ein gutes Gefühl. Best Western hat sehr schnell reagiert und einen Newsletter speziell mit immer aktuellen Informationen rund um Covid-19 aufgelegt, der mindestens zweimal in der Woche erscheint. Trotz Kurzarbeit ist in unserer Servicezentrale immer jemand erreichbar. Aber insbesondere jetzt beim Wiederhochfahren unserer Betriebe hilft uns Best Western mit zielgerichtetem Marketing. Unsere Einkaufsgesellschaft, die Progros, unterstützt uns mit allen Hygieneartikeln, die man für die Wiedereröffnung braucht. Es ist eine große Erleichterung, in diesen Zeiten nicht alleine zu sein!

www.rebstock.com


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