Seit 70 Jahren ist Relais & Châteaux eine Größe im internationalen Hotel- und Gastgewerbe. Die Delegierte Natalie Fischer-Nagel, Hoteldirektorin des Weissenhaus Private Nature Luxury Resorts, spricht im Interview über die Bedeutung der Gemeinschaft, das globale Familiengefühl und die Anliegen, die sie für die Mitglieder ihrer Delegation vertritt.
Relais & Châteaux steht vor allem für herausragende Kulinarik, leidenschaftliche Gastlichkeit und Qualität auf höchstem Niveau. Was hat Sie 2018 dazu bewogen, mit Weissenhaus Teil der Vereinigung werden zu wollen?
Wir waren auf Weissenhaus anfänglich Mitglied bei einer anderen Kooperation und haben dann den Schritt hin zu Relais & Châteaux sehr bewusst unternommen. Mit unserer Historie und dem starken Bekenntnis zur Spitzenkulinarik fühlen wir uns in der Vereinigung, die weltweit die meisten Michelin Chefs als aktive Mitglieder zählen darf, besonders wohl. Salopp gesagt: im gleichen Club wie Daniel Humm und Mauro Colagreco zu sein, inspiriert enorm und spornt uns an. Ein weiteres starkes Argument war die Einbettung in eine Gemeinschaft von 580 internationalen Privathotels, die oftmals seit Generationen sehr erfolgreich arbeiten und deren Vision, Individualität und Erfahrung uns als Vorbild dienen.
Welche Vorteile und Leistungen hat man als Mitglied, auch in Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen in der Hotellerie?
Unsere aktive Mitgliedschaft stellt einen bedeutenden Pfeiler unseres täglichen Handelns dar, angefangen vom Zugang zu Informationen und Studien zur Entwicklung des Reiseverhaltens bis hin zum regelmäßigen Austausch mit unseren Kollegen aus aller Welt. Relais & Châteaux bietet seinen Mitgliedern über 60 Services an, die unterschiedliche Bereiche abdecken und den Wert der Mitgliedschaft ausmachen. Die Erkenntnisse, die ich gewinne, wenn die Relais & Châteaux Kollegen bei uns in den Häusern prüfen, ob wir alle Tools nutzen und hier Hilfestellung geben, sind Gold wert. Vor zwei Jahren haben wir auf Weissenhaus grundlegend unsere digitale Infrastruktur angepasst. Ohne den Input, den wir hierzu auf Basis der Auswertungen und Learnings von allen Häusern weltweit erhalten haben, wäre der Prozess längst nicht so zügig verlaufen. Gleiches gilt für unser Karrieretool, in dem wir Zugriff auf Lebensläufe von Kollegen aus aller Welt haben, die gern in einem Relais & Châteaux arbeiten möchten.
Neben den bereits genannten Werten ist auch das Bekenntnis zu nachhaltigem Handeln im Betrieb ein wichtiger Wert für Relais & Châteaux. Wie setzen Sie das auf Weissenhaus um?
Wir sind seit acht Jahren auf dem Weg zu verantwortlicherem Handeln und hinterfragen uns dabei ständig. Allerdings ohne erhobenen Zeigefinger und der Kultur des Verzichtes, das ist uns besonders wichtig. Wir haben mit viel Begeisterung und Unterstützung aus dem Team Maßnahmen entwickelt, die uns helfen, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Beispielsweise beziehen wir 80% unseres Gemüses von einem biologischen Obstgut in der Region, unsere Eier sind tatsächlich klimaneutral, und wann immer es uns möglich ist, bevorzugen wir regionale Händler, die wir kennen und schätzen. Das Bewusstsein für gefährdete Tier- und Pflanzenarten, die wir dann nicht servieren, gehört ebenso dazu wie Maßnahmen zum Dünenschutz. Unsere Küchenabfälle entsorgen wir in einer Biogasanlage und betreiben eigene Klärteiche sowie eine Imkerei, deren 350 Bienenvölker die Biodiversität stärken. Unser Maßnahmenportfolio ist sehr breit gefächert, erweitert sich ständig und begeistert unsere Gäste, denn auch die Tatsache, dass wir seit langem ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Betrieb haben, gehört für uns dazu. Die Verkündung einer offiziellen Partnerschaft der UNESCO und Relais & Châteaux Ende 2024 ist ebenfalls ein sehr glücklicher Umstand, der gerade bei jungen Kollegen auf besondere Resonanz trifft.
Sie selbst sind Delegierte der deutsch-österreichischen Delegation und vertreten deren Mitglieder in den internationalen Board Meetings. Was ist Ihnen hier ein besonderes Anliegen?
Ich habe diese Aufgabe seinerzeit sehr gern angenommen und bin mir der Verantwortung, der Zusammenführung unserer fantastischen Hoteliers und starken Persönlichkeiten, sehr bewusst. Meine Rolle ist es, die ideale Balance bei der Vermittlung von Themen aus dem Headquarter an unsere Mitglieder und umgekehrt zu gewährleisten. Hinzu kommt meine Position im Verwaltungsrat von Relais & Châteaux, der die globale Strategie der Marke definiert und weiterentwickelt. Natürlich liegt es mir hier am Herzen, die Schwerpunkte meiner deutsch-österreichischen Delegation leidenschaftlich zu vertreten, insbesondere das Ziel der Angleichung unseres Ratenniveaus auf das internationale Level bei Relais & Châteaux. All das erfordert die Berücksichtigung unterschiedlicher Haltungen und Motive und ist eine spannende und auch intellektuell herausfordernde Tätigkeit, die mich sehr erfüllt. Wir möchten natürlich sicherstellen, dass wir äußerst glückliche Mitglieder haben, die sich gesehen und geschätzt fühlen.
Anders als in anderen Vereinigungen spürt man bei Relais & Châteaux ein globales Familiengefühl. Wie drückt sich das konkret aus und was schätzen Sie daran besonders?
Dieser Family Spirit ist in der Tat mit nichts zu vergleichen. Wenn Sie als neues Mitglied während des internationalen Kongresses auf der Bühne von Delegationen aus aller Welt gefeiert werden, dann spürt man eindeutig: Ich bin jetzt ein Teil dieser globalen Erfolgsgeschichte. Jeder Hotelier wird bestätigen, dass es dieses unsichtbare Band gibt, das mit dem ersten Delegationsmeeting deutlich wird, und dass man im wahrsten Sinne des Wortes Teil einer Wertegemeinschaft ist, die neben der Exzellenz im täglichen Handeln eben auch diesen starken Wert der echten Freundschaft und Generosität lebt. Die Erlebnisse, Einblicke und Kontakte, die ich in den Jahren international sammeln durfte, sind für mich ein Leben lang unvergesslich. Dazu kommt der direkte Zugang zu Weltklassehoteliers, die man auf einmal einfach anrufen kann, um sich offen und diskret auszutauschen und um Rat zu fragen. Das ist sicherlich das Schönste an der Mitgliedschaft: Man kämpft nicht mehr allein.
Sie begeben sich auf eine der 146 Relais & Châteaux Routes du Bonheur - welches Haus/welches Restaurant müsste dabei sein und warum?
Es ist völlig unmöglich, eine oder zwei Routen hervorzuheben, gern möchte ich aber einige Häuser herausstellen. Wer Weissenhaus als Setting in der Weitläufigkeit und Imposanz schätzt, wird auch das Relais & Châteaux Twin Farms mit 27 Einheiten auf 120 Hektar in Vermont USA lieben und überwältigt sein. Wer Glamour pur schätzt, findet im Domaine Les Crayères in Reims seine Meister. Am Ende der Welt ist man in Neuseeland im Blanket Bay mit atemberaubendem Blick auf das Wasser und der heimeligsten Herzensatmosphäre ideal aufgehoben, während in Europa unseren Gästen auf der Terrasse des Borgo Santandrea die Tränen in den Augen stehen, wenn sie das Beste von Italien mit einem der schönsten Ausblicke auf die Amalfiküste genießen, bevor sie am Privatstrand schwimmen gehen. Mein liebstes Relais & Châteaux in Deutschland ist übrigens das Hotel Bareiss im Schwarzwald, hier kommt man an und weiß intuitiv: Hier passt alles!