Management & Strategien | 11.05.2020

„Ein zweiter Lockdown wäre ein Desaster“

Michael Altewischer Wellness-Hotels Resorts Michael Altewischer ist Geschäftsführer der Wellness-Hotels & Resorts / Foto: Wellness-Hotels & Resorts

Die Umsatzeinbußen reichen bis in die Milliarden, Verzweiflung weit und breit. Im Interview spricht Michael Altewischer, Geschäftsführer der Wellness-Hotels & Resorts, über die Lage speziell der Wellnesshotellerie, mögliche Maßnahmen und die langersehnte Wiedereröffnung.

Herr Altewischer, inwieweit ist die Wellnesshotellerie besonders betroffen von der aktuellen Corona-Krise?

Zum einen sind die meisten Wellnesshotels der Ferienhotellerie zuzuordnen und sind somit auf Touristen und Individualreisende angewiesen. Daher sind sie bereits von Anfang an in einem größeren Maße betroffen als beispielsweise Stadthotels mit einem großen Anteil an Business-Gästen. Zum anderen besteht die Mehrzahl der Wellnesshotels im deutschsprachigen Raum aus Familienbetrieben. Das ist vor dem Hintergrund eher „normaler“ Kreditlinien ein Problem. In dem Zusammenhang ist besonders die durchaus unterschiedlich zu beurteilende Situation der sogenannten „Einzelbetriebsschließungen“ ein großes Thema innerhalb der Wellnesshotellerie. Die Hoteliers haben eine Versicherung abgeschlossen und dachten, dass sie im Fall einer Epidemie beziehungsweise Pandemie finanziell geschützt sind. Die Versicherungen gehen allerdings mit einem Angebot von aktuell 15 Prozent in die Schadensbegrenzung. Da muss die Frage erlaubt sein: Ist das vom Gesetzgeber gewünscht?

Die ersten Bundesländerhaben nun Öffnungen angekündigt und Regelkataloge veröffentlicht. Gibt das Grund zur Hoffnung?

Das sollte man meinen, allerdings muss ich sagen: Der mir vorliegende Stufenplan der Staatskanzlei in Niedersachsen vom 4. Mai 2020 ist für die Ferien- und Wellness-Hotellerie eine Katastrophe. Kosmetikstudios, Freibäder, Sporteinrichtungen sollen Mitte/Ende Mai wieder öffnen dürfen, die Wellnessabteilungen in den Hotels müssen demnach jedoch bis Ende August geschlossen bleiben. Das bricht vielen der Kollegen das Genick. Anders formuliert: Der Tourismus in Deutschland ist offenbar nicht systemrelevant. Wenn wir den Blick nach Österreich oder auch in die Schweiz richten, sehen wir, dass dort Wellnesshotels ohne Restriktionen öffnen dürfen. Rein physikalisch betrachtet: Gechlortes Wasser im Pool und Temperaturen über 70 Grad Celsius in den Saunen sorgen seit jeher für eine wirkungsvolle Keim-Abtötung. Warum also dürfen wir diese Abteilungen mit Gästebeschränkungen nicht öffnen?

Wann werden, Ihrer Meinung nach, die Hotels in Deutschland flächendeckend öffnen und der Tourismus wieder vergleichbar mit „vor Corona“ sein?

Wie gerade erwähnt: Ein Blick in Richtung Österreich oder auch die Schweiz zeigt, dass dort schon für Ende Mai 2020 eine Wiedereröffnung der Ferienhotellerie angekündigt wurde. Daher geht unsere Hoffnung dahin, dass auch die Bundesregierung sowie die einzelnen Länderregierungen in Deutschland spätestens Anfang Juni die Möglichkeit schaffen, dass die Hotels in Gänze wieder öffnen können. Denn eines muss klar sein: Wir brauchen die Sommersaison, um überhaupt eine realistische Chance zu haben, das Jahr finanziell zu überleben.

Entscheider bei diesen Fragen ist natürlich vorrangig die Politik. Diese wird momentan genau beobachtet und bewertet. Da bleibt Kritik nicht aus und einige Branchen fühlen sich gegenüber anderen benachteiligt. Wie empfinden Sie und Ihre Partner die politischen Entscheidungen?

Wir glauben, dass die Bundesregierung in den letzten Wochen einen extrem guten Job gemacht hat. Die Entscheidungen, die getroffen worden sind, wurden transparent erläutert und wir konnten sie nachvollziehen. Die nun eingeleitete Exit-Strategie hat in ihren Grundzügen diese Transparenz leider nicht mehr. Gleichwohl gilt es der Politik nun klar zu machen, dass Möbel- oder auch Autohäuser nicht zwangsläufig systemrelevanter sind als der Tourismus. Wir müssen lernen, mit Corona zu leben. Das bedeutet auch, während der Corona-Pandemie in den Urlaub zu fahren. Das eine schließt das andere nicht zwingend aus. Daher geht mein Appell an unsere Verbände, DEHOGA, den Bundesverband, die Landesverbände, den IHA sowie an alle Kollegen vor Ort: Wir müssen der Politik auf allen Ebenen verständlich machen, wie wichtig es ist, uns die Luft zum Atmen nicht abzuschnüren. Das alles kann kein Einzelner schaffen, hier sind wir als Branche gefragt.

Was können und sollten Ihrer Meinung nach Hoteliers schon jetzt, vor Öffnung der Häuser, tun?

Ich weiß, dass es vor dem Hintergrund von Kurzarbeitergeld und ein bis maximal zwei Personen, die momentan die Rezeptionen besetzen schwierig klingt, aber unsere Empfehlung lautet: Auf die Wiedereröffnung konkret vorbereiten, und zwar sowohl abteilungsweise als auch abteilungsübergreifend. Auch der Vertrieb sollte jetzt oder besser noch gestern beginnen. Die zu erwartenden Hygieneregeln, die wir in der Hotellerie für die nächsten Monate, vielleicht sogar für die nächsten zwei Jahre umsetzen müssen, sind eine Herausforderung, vor der wir alle stehen. Auch hier gilt: Vorbereitung ist alles. Ein Blick in andere Branchen oder auch über Ländergrenzen hinweg hilft jedem Hotelier, Vorkehrungen zu treffen und seinen Betrieb schon jetzt mit ausreichend Mundschutz, Desinfektionsmittel, Abstandsmarkierungen und so weiter auszurüsten.

Wir haben es bereits in anderen Branchen erlebt: Die Maßnahmen und Regelkataloge sind dick. Mit welchen Auflagen rechnen Sie für die Hotellerie?

Die Maßnahmen für die Hotellerie werden mit Sicherheit ähnlich streng sein, wie die für den Einzelhandel, Frisöre oder Kosmetikstudios. Das beinhaltet die Mundschutzpflicht und Ausweitung der Reinigungs- und Desinfektionsvorgänge ebenso wie das Bereitstellen von Desinfektionsspendern, das Aufhängen von Hinweisschildern mit Niesetikette, Abstandsregelungen und weiteren wichtigen Informationen. Im Detail sind die Maßnahmen zu umfangreich, um sie hier alle zu erwähnen. Wichtig ist, egal welche Maßnahmen wir erleben werden, diese transparent zu kommunizieren, und zwar bei Mitarbeitern ebenso wie bei Gästen. Mitarbeiter müssen genauestens informiert werden. Darüber hinaus werden wir auf die Unterstützung unserer Gäste angewiesen sein und diese in die Regelungen einbinden müssen, um einen geregelten Ablauf innerhalb der Hotels überhaupt gewährleisten zu können.

Nun sind Sie in der Wellnesshotellerie zu Hause. Hier stellen sich noch explizitere Fragen als in anderen Häusern. Gerade der Spa-Bereich birgt auf den ersten Blick Ansteckungsrisiken. Wie schätzen Sie die Gefahr ein und zu welchen Maßnahmen raten Sie Wellnesshoteliers im Spa-Bereich?

Intern haben wir zu der von ihnen gestellten Frage bereits diskutiert und sind bislang zu keinem umfassenden und für alle zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Besondere Aufmerksamkeit ist im Spa-Bereich natürlich auf die Anwendungen und somit auf die Situation zwischen Mitarbeiter und Gast zu legen. Hier gelten die gängigen Abstandsregelungen ebenso wie innerhalb der Sauna oder eben auch im Pool. Darüber hinaus gilt es, die Ruhebereiche entsprechend zu zonieren, und zwar im Innen- und Außenbereich. Es läuft alles darauf hinaus, dass wir mit Gästebeschränkungen arbeiten müssen und durch entsprechende Hinweisschilder und auf Flatscreens auf die Maßnahmen hinweisen müssen. Da in familiengeführten Wellnesshotels ein hohes Maß an Individualität vorherrscht, ist das sicherlich eine der schwersten Aufgaben.

Als Hotelier hat man zwei relevante Zielgruppen, die es vor einer Ansteckung zu schützen gilt: die Gäste und die Mitarbeiter. Wie kann man beiden Gruppen gerecht werden und Sicherheit vermitteln?

Hier lauten die Zauberwörter Transparenz und Kommunikation. Unser Vorschlag an die Kollegen und Kolleginnen ist daher, sich mit den Mitarbeitern zusammen zu setzen und mit ihnen gemeinsam Prozesse zu entwickeln. Durch das Einbeziehen der Mitarbeiter in die Problem-Analyse sowie -Lösung erhalten diese die nötige Sicherheit, denn sie wissen genau über die Maßnahmen Bescheid und können sich selbst einbringen. Gut informierte Mitarbeiter mit einem professionellen Auftreten strahlen automatisch beim Zusammentreffen mit dem Gast Sicherheit aus. Ziel muss es sein, den Gast vom Betreten bis zum Verlassen des Hauses stetig gut  zu informieren, auf Rückfragen schlüssige Antworten parat zu haben und Anliegen ernst zu nehmen.

Sich sicher zu fühlen ist die eine Sache, wirklich sicher zu sein die andere. Ein Restrisiko wird immer bleiben. Gehen wir vom Worst-Case-Szenario aus: Was tun, wenn es trotz aller Maßnahmen zu einem Corona-Fall im Hotel kommt?

Für diesen Fall sollte man auf jeden Fall einen Leitfaden zur Verfügung haben, der in allen Abteilungen vorliegt. Schon jetzt empfehlen wir, sich mit dem Gesundheitsamt vor Ort in Verbindungen zu setzen, den verantwortlichen Mitarbeiter für das Hotel kennenzulernen und mit ihm gemeinsam Wege abzustimmen, die in diesem Fall als Grundlage der Abwicklung dienen. Ähnlich wie bei einer Feuerwehrübung sollte dieser Notfallplan innerhalb des Hauses durchgespielt werden. Jeder verantwortliche Mitarbeiter sollte die Guidelines kennen. Wenn es dann zu dem Worst-Case-Szenario kommt, ist für alle Seiten ein sicherlich gutes Fundament geschaffen und es kann schnell und effizient reagiert werden.

Die Maßnahmen, Regeln und was es im Notfall zu beachten gilt: Das hört sich alles sehr umfangreich an. Was sagen Sie Hoteliers, die Sorgen haben, nicht allen Anforderungen gerecht zu werden?

Das mag sich böse anhören, aber wir brauchen auf allen Seiten – sei es vom Gast, vom Hotelier oder vom Mitarbeiter – einen gewissen Pragmatismus. Es wird nicht möglich sein, alles bis ins kleinste Detail durch zu deklinieren. Wenn wir das täten, würden viele Hoteliers sich mehr als einmal überlegen, ob sie ihren Betrieb überhaupt wiedereröffnen wollen. Das wäre allerdings ein fataler Fehler, denn gerade für den deutschsprachigen Raum rechnen wir nach Öffnung der Ferienhotels mit einer deutlichen Nachfragesteigerung. Man muss sich nun bestmöglich informieren, sich natürlich an die gesetzlichen Vorschriften halten und jede Maßnahme darüber hinaus nach den eigenen Möglichkeiten durchführen.

Abschließend bitten wir Sie um eine Prognose. Wie geht es nach den Hotelöffnungen weiter?

Die begründete Vermutung, dass die Nachfrage an Urlaub in der D-A-CH Region steigen wird, gibt zumindest Anlass zu verhaltener Freude und lässt auf eine vergleichsweise kostendeckende zweite Jahreshälfte hoffen – wenn die Ferien- und Wellnesshotellerie nicht mit unverständlichen Restriktionen belegt wird. Allerdings müssen wir vorsichtig bleiben. Wir werden, so haben wir es von Angela Merkel oft gehört, immer wieder reflektieren müssen, wie sich Corona nach den entsprechenden Schritten der Wiedereröffnungen entwickelt. Das bedeutet: Wir als Hoteliers, Gäste oder Mitarbeiter sind dazu aufgerufen alles zu tun, damit es zu keinem zweiten Lockdown kommt. Das wäre ein Desaster.

www.wellnesshotels-resorts.de


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